Die Fachstelle Digitales Lehren und Lernen (FDL) war Gast und Workshop-Anbieterin an der GMW-Tagung 2022 – in diesem Jahr an der PH Karlsruhe. Zur Freude der Tagungsbesucher*innen war auch der humanoide Roboter «Mikroplastik 1» mit im Gepäck der FDL.
Der humanoid gestaltete, soziale Roboter war an dieser Tagung aber nicht blosse Attraktion, sondern Gegenstand einer fiktiven Auseinandersetzung zwischen Interessensgruppen einer Hochschule: Workshopteilnehmende diskutierten in zugewiesenen Rollen vor dem Ethikrat über die Einführung humanoider Roboter an ihrer Hochschule. Die Ergebnisse aus der geführten Diskussion finden Sie auf der Seite der PH Karlsruhe oder gleich als Volltext im Open Access unter https://phka.bsz-bw.de/Workshopbeitrag .
Die Fachstelle bedankt sich ganz herzlich bei der GMW für die bereichernde Tagung und die Möglichkeit, Fragen zur Bildungsverantwortung im Jahr 2022 an der GMW platzieren zu dürfen. Allen Teilnehmenden sowie dem Tagungsteam danken wir von Herzen für einen inspirierenden und ergebnisreichen Austausch – MERCI!
Sie wollen mehr über Roboter in der Bildung erfahren? Dann lesen Sie hier die Hintergründe zum Thema oder den vollständigen Tagungsbericht im Open Access unter https://phka.bsz-bw.de_Workshopbeitrag.pdf
Roboter in der Lehre – mehr als ein «Tool» mit Armen und Beinen
Humanoid gestaltete, soziale Roboter in der Lehre an Schulen und Hochschulen sind bereits
Tatsache (vgl. Belpaeme et al. 2018). Die wissenschaftliche Auseinandersetzung bezüglich
möglicher Rollen und Funktionen von Robotern in der Bildung steht aber noch am Anfang und
deren Einsatz von sozialen Robotern und den damit verbundenen Fragen zu bspw. Datenethik
oder Educational Data Mining polarisieren. Vor dem Hintergrund des bereits geschaffenen
Status Quo ist es zwingend notwendig, sich einer nachhaltigen Anwendung von Robotern in
der Bildung zuzuwenden.
Wenngleich sich das Interesse an Robotern in Hochschulen bisher noch stark auf technische Aspekte dieser Maschinen konzentriert, lassen sich bereits Potentiale fernab technischer Studiengänge erkennen (vgl. Schulze et al. 2021). So zeigt sich der Mehrwert von Robotern insbesondere dann, wenn diese als Gegenstand selbst ins Zentrum der mediendidaktischen Gestaltung und Diskussion rücken, so die Arbeitsgruppe der FDL.
Humanoide soziale Roboter sind menschenähnlich gestaltete «Interaktionspartner*innen» der Lernenden und Lehrenden. Gestalt und Verhalten konfrontieren Lehrende wie Lernende mit einer neuen Form des scheinbar Lebendigen (vgl. Brenner, 2009).
Der Roboter bewegt, spricht und interagiert «wie» ein Mensch. Diese Eigenschaften verleihen der Begegnung Mensch-Maschine eine besondere Qualität. So stehen Lernende vor der Herausforderung, mit einem lebendigkeitssimulierenden Artefakt zu interagieren. In diesem Augenblick liegt das eigentliche Potential von humanoiden, sozialen Robotern in Bezug auf Bildungsprozesse.
Weiter aktualisieren Einsätze von Robotern in Lehr-/Lernszenarien Fragen nach genuin pädagogischem Handeln. Für konkrete pädagogisch gerahmte Interaktionen programmierte und mit relevanten Handlungsweisen ausgestattete Roboter verweisen auf einen mehr oder minder expliziten Orientierungsrahmen, welchen es sicht- und reflektierbar zu machen gilt.
Auch muss die sozialisatorische Relevanz dieser Maschinen diskutiert werden: Wie verändern Roboter die Wahrnehmung dessen, was wir Leben nennen? Wie verändern sie unser Welt und Selbstbild (vgl. Knaus, 2017)? Von welchen Menschen- und Maschinenbildern zeugen sie? Intelligenz, Bewusstsein oder das Sein als Eigenheit des Lebendigen wird von der Maschine zur Diskussion gedrängt.
Auf gesellschaftlicher Ebene stellen sich Fragen nach der Hoffnung auf Veränderung, welche sich hinter dieser Innovation verbirgt (vgl. Meyer-Drawe, 2007). Gerade im Hinblick auf den Bildungsbereich eine zentrale Frage, welche sich letztlich auch als eine moralische entpuppt: Welche Aufgaben und Rollen möchten wir an Roboter delegieren und welche müssen im Kompetenzbereich der Menschen bleiben, unabhängig technischer Möglichkeiten (vgl., u.a. Simanowski, 2018)? Sind wir bereit, Maschinen als moralische Akteure zu akzeptieren (vgl.Bendel, 2018)?
Das Selbst konstituiert und begreift sich in einer zunehmend digitalisierten Lebenswelt (vgl. u.a. Kerres, 2017; Knaus, 2017). Es ist das Selbst, seine Entstehungs- und Veränderungsprozesse, auf welches ein klassischer Bildungsbegriff abzielt und welches im Rahmen einer kritisch-reflexiven Medienbildung zur Sprache gebracht werden soll (vgl. Reimer, 2019). Digitale Technologien verändern gewohnte soziale und kommunikative Strukturen und führen uns Menschen in neue Bereiche des (Berufs-)Alltags: In eigenen, explorativen Studien werden Interaktionen zwischen Studierenden und Robotern beobachtet, welche sich als weitgehend unkritisch, aber auch freundschaftlich und hierarchiefrei beschreiben lassen. Studierende knien sich hin, um den Robotern auf Augenhöhe zu begegnen, streicheln sie und zeigen positive Affekte ihnen gegenüber. Die «kritisch-reflexive Medienbildung» setzt hier an und fragt nach Veränderungen im Sozialen, in der Interaktion zwischen Mensch und Maschine – ausgelöst durch eine Begegnung mit einer neuen Technologie. Sie ist somit reflexiv in Bezug auf den eigenen wie auch gesellschaftlichen Umgang mit Technologie oder kritisch gegenüber den persönlichen, politischen und ökonomischen Interessen hinter technologischen Innovationen. Die Entwicklungen im Bereich der künstlichen Intelligenz und ihrer Implementierung in physische Systeme (Roboter) drängt auf eine verstärkte erkenntnistheoretische und (maschinen)ethische Diskussion, welche auch im Rahmen einer kritisch-reflexiven Medienbildung geführt werden muss. Diese Medienbildung zielt damit auf einen mündigen Umgang mit Technologien, stellt die Partizipation und aktive Gestaltung von Technologie und Bildung in den Vordergrund und überträgt damit einen Teil der Verantwortung des digitalen Wandels auf den Bildungsbereich.
Mehr zum Thema Roboter&Bildung finden Sie unter https://www.digitallernen.ch/themen/roboter-bildung/
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