Das papierlose Studium

Gastbeitrag von Daniela Lozza

Daniela Lozza, E-Learning Verantwortliche der ZHAW Zürcher Hochschule für angewandte Wissenschaften, leitet das Projekt „Das papierlose Studium“. Da auch unsere Hochschule sehr aktiv im Feld der Intergration von Tablets in der Hochschullehre ist, ist für uns ein fachlicher Austausch immer wieder sehr wertvoll. Gerne möchten wir hier unseren Leser/-innen einen Einblick in die Aktivitäten der ZHAW anbieten. Unsere Beiträge zum Themenfeld finden Sie hier.

Am Departement Life Sciences und Facility Management der ZHAW Zürcher Hochschule für angewandte Wissenschaften läuft zurzeit ein Pilotprojekt zum papierlosen Studium.

Im Herbst 2013 starteten 33 Studierende des Bachelor-Studiengangs in Biotechnologie „papierlos“ ins 3. Semester. Ziel des Projektes ist in erster Linie, Alternativen für das papierbasierte Studium zu testen und die damit verbundenen Rahmenbedingungen zu klären.

Eine Umfrage, die im Vorfeld des Projektes bei den rund 1000 Studierenden der ZHAW Life Science und Facility Management (LSFM) durchgeführt wurde, ergab, dass zwar 68% der Umfrageteilnehmenden bereit waren, ihren Papierverbrauch zu reduzieren, aber nur gerade 26% sich ein papierloses Studium vorstellen konnten. Die Studierenden hatten vor allem Angst, dass sie ohne Papier nicht effizient Notizen machen können und den Lehrveranstaltungen nicht mehr folgen können, wenn die Lehrpersonen Formeln und Skizzen zeichnen. Zudem wollten die Studierenden nicht noch mehr am Computer arbeiten.

Diese Aussagen wiesen darauf hin, dass Notebooks kein geeigneter Ersatz für Papier sind. Ferner wurde von unseren Ökobilanz-Experten ergänzt, dass Notebooks einen sehr hohen Stromverbrauch haben.

Wir haben uns daher entschieden, den Studierenden und Lehrpersonen als Hilfsmittel für das papierlose Arbeiten wahlweise ein iPad oder ein Surface Pro mit Tastatur und Stift zur Verfügung zu stellen.

Tablets als Papierersatz

Die Tablets dienen im Projekt in erster Linie als Papierersatz und haben sich gut bewährt. Die Resonanz ist bis jetzt sehr positiv und keiner der Studierenden möchte mehr zurück zum papierbasierten Studium. Als Vorteil wird vor allem genannt, dass man immer alles dabei hat und weniger Gewicht herumtragen muss. Die Zufriedenheit ist bei beiden Gerätetypen hoch. Jedoch fallen beim Surface Pro vor allem die schlechte Akkuleistung und die fehlenden Bildungsapps negativ auf, beim iPad hingegen vermissen die Studierenden einen USB-Anschluss.

Die Wahlmöglichkeit zwischen einem Windows Tablet und einem iPad hat entscheidend zur Akzeptanz der Geräte beigetragen. Es fällt auf, dass die Mehrheit der Frauen sich für ein iPad,  die Mehrheit der Männer hingegen sich für ein Surface Pro entschieden hat.

Einfluss der Tablets auf das Lernen

Was aber passiert, wenn man Studierende und Lehrpersonen mit einem neuen elektronischen Hilfsmittel ausrüstet, ohne ihnen ein neues didaktisches Konzept mit auf den Weg zu geben? Verändert das Tablet das Lernen? Und wenn ja wie? Diese Frage wird aktuell im Rahmen einer Evaluation durch das Zentrum für Innovative Didaktik der ZHAW untersucht. Der Einsatz der Tablets wird dabei während der Präsenz-, der Selbststudiums-, der Prüfungsvorbereitungsphase und in der Prüfung selbst untersucht, um die Lehr- und Lernprozesse phasenbezogen bewerten zu können.

Tablets – ein sehr flexibles Hilfsmittel

Im Rahmen der bisher durchgeführten Fokusinterviews fällt auf, dass sich bei der Nutzung von Tablets über alle Lehr- und Lernphasen hinweg vielfältigste Lehr- und Lernpraktiken zeigen. Die tatsächliche Stärke des Tablets liegt offenbar nicht in der Möglichkeit, handschriftliche Notizen und damit Formeln und Skizzen zu erstellen, sondern in der Vielfältigkeit der Nutzungsmöglichkeiten, die sehr individuelle und sogar gegensätzliche Lernstile unterstützt. Insgesamt zeigt sich, dass gängige Vorurteile gegen die Nutzung von Tablets – wie beispielsweise ein erschwertes Lese- und Orientierungsverhalten im Text – nicht haltbar sind.

Alle Befragten gaben an, gut in Lehrveranstaltungen mit dem Tablet arbeiten zu können. Die tatsächliche Nutzungsweise unterscheidet sich individuell jedoch sehr. Ein Teil der Befragten bedient das Tablet ausschließlich über das Display, andere wiederrum nutzen ausschliesslich die Tastatur. Die Tablets scheinen denn auch in der Präsenzphase den grössten Einfluss zu haben. Je weiter weg von dieser Phase – beispielsweise in der Prüfungsvorbereitung – werden neue Arbeitsweisen häufiger zu Gunsten von alten, eingeübten aufgegeben und die Studierenden kommen zu ihren alten Lernpraktiken zurück.

Neue Möglichkeiten für das Lernen

Tablets haben in Kombination mit neuen Medien Potenzial, die Studierenden beim Lernen zu unterstützen. Wenn man die Lernzieltaxonomie von Kathwohl and Anderson’s (2001) anschaut, besteht die 5. und 6. Stufe der Lernzieltaxonomie aus dem Evaluieren und Erstellen/Erschaffen. Das Tablet bietet hier mit Kamera, Mikrofon und eingebauten Sensoren viele neue Möglichkeiten, das Lernen zu unterstützen.

Bei Exkursionen z.B. ist die Mobilität des Tablets ein klarer Vorteil. Eine Studentin sagte dazu: “Wenn ein Dozent etwas über eine Pumpe erzählt, kann man diese abfotografieren und darin Notizen machen oder malen. Im Labor fotografiere ich die Sachen ab.“ Die Nutzung des Tablets im Labor wird jedoch von anderen wiederrum als eher schwierig empfunden, da u.a. mit Flüssigkeiten gearbeitet wird.

Ein weiterer Anwendungsbereich für Tablets wären die Prüfungen, da stehen wir jedoch aufgrund der unterschiedlichen Betriebssysteme noch vor grossen technischen Herausforderungen. Bei OpenBook Prüfungen können wir beispielsweise die Funkverbindungen nur schwer kontrollieren und damit kaum verhindern, dass die Studierenden die Lösungen untereinander austauschen. Vielleicht braucht es mit dem Einzug elektronischer Hilfsmittel auch neue Prüfungsformen?

Das Pilotprojekt öffnet viele neue Baustellen, bietet aber auch viele Chancen. So haben wir beispielsweise gesehen, dass sich die Lehrpersonen aufgrund des papierlosen Studiums vermehrt mit Moodle auseinandersetzen und sie auch sehr interessiert sind, das Tablet vermehrt als didaktisches Hilfsmittel im Unterricht einzusetzen.

Quelle

Airasian, P. W., Cruikshank, K. A., Mayer, R. E., Pintrich, P. R., Raths, J., & Wittrock, M. C. (2001). A taxonomy for learning, teaching, and assessing: A revision of Bloom’s Taxonomy of Educational Objectives. Anderson LW and Krathwohl DR. New York: Addison Wesley Longmann. Abgerufen von http://sites.google.com/site/ramirodotcom/home/true/Bloomtaxonomiadosobjectivoseducacionais.pdf

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